Ich möchte Ihnen eine komische Situation schildern: Ihr Geschäft scheint gerade anzulaufen, und im nächsten Moment stellen Sie fest, Sie sind in einer Abwärtsspirale. Sie dachten, Sie hätten ein solides Fundament für Ihren Betrieb gebaut – aber jetzt, wo Sie die Wände errichten wollen, merken Sie: Es funktioniert nicht.
Die Produkte, die Sie sich ausgedacht haben, verkaufen sich nicht. Die Kunden, die Sie ansprechen wollten, kommen nicht. Die ganze Neuausrichtung, die so dringend nötig war, und die Sie Ihrem Unternehmen gegeben haben, bringt keine Früchte ein. Kurz: Etwas trägt nicht. Aber was?
Elan? Schön und gut, aber …
Meine Erfahrung zeigt: Unternehmen, die im Wachstum sind, haben mutige, risikobereite, zupackende Inhaber. Und das ist super! Das brauchen sie auch! Doch der Elan dieser Inhaber hat nicht nur Vorteile. Immer wieder mache ich die Beobachtung, dass diese Unternehmer in ihrem Fortschrittshunger Änderungen an ihrem Unternehmen vornehmen, deren Folgen sie erst mal gar nicht absehen können. Häufig sind es strategische Entscheidungen, die also den Kern der Firma betreffen, die jedoch viel zu leichtsinnig getroffen werden. Da springen Unternehmer auf den Zug von Buzzwords auf wie „Digitalisierung“ oder „Industrie 4.0.“ oder „Mobilität“ oder was auch immer gerade modern ist.
Sie denken: Oh ja, stimmt, die Kunden sind ab morgen nur noch im Internet zu finden. Da müssen wir auch hin! Und setzen sich unter Druck, um ihre Angebote „online“ zu stellen, investieren Unmengen von Ressourcen in das Projekt – obwohl sie noch gar nicht richtig getestet haben, ob es in ihrer Region, für ihre Klientel, und für ihr Unternehmen tatsächlich nötig ist. Ob das also wirklich so eine gute Idee ist.
Nah am Extrem
Zugegeben, das ist ein Extrembeispiel. Doch Gedanken wie „Diese Produkteinführung hat super funktioniert, deshalb führen wir jetzt weitere neue Produkte ein“ sind ähnlich undurchdacht. „Wir stellen unser Unternehmen breiter auf“ ist eine Floskel, die im ersten Moment total gut klingt, aber solange sie nicht validiert ist, ist es völlig unklar, ob sie dem Unternehmen etwas bringt. Ganz oft verfolgen Unternehmer mit dem Aufbauen, Ausbauen, Verbreitern, Vergrößern keine wirklich durchdachte, auf die individuellen Stärken fokussierte Strategie, sondern sie versuchen hektisch, auf Einflüsse, Trends, Veränderungen von außen einzugehen. Erfolgreich kann eine solche strategische Änderung nur durch Zufall wer- den. Häufig aber ist sie ein teurer Misserfolg, der Unternehmen sogar das Genick brechen kann.
Solche Gefahren lauern selbst in den besten Unternehmen. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie selbst Weltkonzerne aufs falsche Pferd setzen können, ist der Spielzeugbauer Lego. Bei Lego denkt jeder sofort an die Bauklötze. Und deshalb glaubt man kaum, dass das Unternehmen in den 90er-Jahren begonnen hatte, seine Geschäftsfelder auszuweiten und in Internet-Angebote zu investieren. Die Unternehmensführung meinte, Bauklötze würden Kinder, die im digitalen Zeitalter aufwachsen, nicht mehr interessieren. Also baute Lego ein Online-Sortiment aus Computerspielen, T-Shirts, Uhren, ja sogar Themenparks. Mit dem Ergebnis, dass Lego 2003 kurz vor der Insolvenz stand.
Endlich wieder rangeklotzt!
Erst als eine neue Führung die Firma zum Markenkern zurückbrachte, sich also wieder auf die Bauklötze fokussierte, und diesen einen neuen, moderneren Anstrich verpasste, kam Lego raus aus dem Loch.
Und genau das ist der Punkt: Strategische Weiterentwicklungen sind super – aber nur, wenn sie auf den Stärken des Unternehmens basieren. In diesem Sinne gilt: Finden Sie Ihre Stärken, Ihre Bauklötze und bauen Sie auf sie!